Die Aufrechterhaltung eines stabilen biologischen Gleichgewichts ist der Grundpfeiler einer erfolgreichen Aquaristik. Bei hoher Besatzdichte oder intensiver Fütterung stehen Aquariensysteme häufig vor dem Problem der Anreicherung von Endprodukten des Stickstoffkreislaufs – Nitraten (NO3) und Phosphaten (PO4). Diese Stoffe, die Nährstoffe für Pflanzen sind, provozieren im Überfluss Ausbrüche unerwünschter Algen und können die Gesundheit der Wasserbewohner negativ beeinflussen. Eine der effektivsten, natürlichsten und elegantesten Lösungen für dieses Problem ist die Installation eines Algenrefugiums oder Refugiums, das die Kraft schnell wachsender Makroalgen zur Nährstoffexportierung nutzt.
Algenrefugium (Refugium) im Süßwasseraquarium: Ein natürlicher Filter und mehr

Ein Algenrefugium ist ein separates Becken, das mit dem Hauptaquarium verbunden ist und als Zufluchtsort für nützliche Mikrofauna und vor allem für das Wachstum schnell wachsender Pflanzenbiomasse dient. Im Kontext der Süßwasseraquaristik, obwohl der Begriff „Refugium“ traditionell mit Meerwassersystemen assoziiert wird, wird sein Prinzip erfolgreich mit spezialisierten Algen sowie schnell wachsenden höheren Pflanzen adaptiert.
Das Hauptziel eines Algenrefugiums ist es, eine kontrollierte Umgebung zu schaffen, in der nützliche Organismen oder Pflanzen Nährstoffe verbrauchen und mit unerwünschten Algen im Hauptaquarium konkurrieren.
Vorteile der Verwendung eines Algenrefugiums:
- Kontrolle von Nitrat und Phosphat: Pflanzen oder Makroalgen nehmen überschüssiges NO3 und PO4 aktiv auf.
- Stabilisierung des pH-Werts: Die Photosynthese, insbesondere bei Verwendung eines umgekehrten Lichtzyklus (Reverse Daylight Cycle, RDC), hilft, pH-Schwankungen zu stabilisieren.
- Zufluchtsort für Mikrofauna: Das Refugium wird zu einer Brutstätte für nützliche Mikroorganismen (z. B. Copepoden), die als Lebendfutter dienen.
- Biologischer Wettbewerb: Der aktive Nährstoffverbrauch im Refugium „hungert“ unerwünschte Algen im Hauptvolumen aus.
Was ist ein Algenrefugium (Refugium) und wie funktioniert es?

Im Wesentlichen ist ein Algenrefugium ein zusätzlicher Hohlraum, der als externer Sumpf (Sump), Hängefilter (Hang-On-Back Refugium) oder sogar als spezieller interner Hohlraum realisiert werden kann. Seine Funktionsweise basiert auf dem Prinzip des Nährstoffexports.
Schlüsselelemente der Funktionsweise eines Refugiums:
- Wasserzufuhr: Wasser, das mit Nitraten und Phosphaten gesättigt ist, fließt aus dem Hauptaquarium.
- Aufnahme: Im Refugium findet dank intensiver Beleuchtung und hoher Pflanzenkonzentration eine schnelle Nährstoffaufnahme statt.
- Export: Wenn die Biomasse (Algen oder Pflanzen) wächst, entfernt der Aquarianer physisch einen Teil davon und entzieht dem System so dauerhaft die angesammelten Nitrate und Phosphate.
- Wasserückführung: Gereinigtes Wasser wird in das Hauptaquarium zurückgeführt.
Für Süßwasseraquarien werden oft entweder spezielle Sumpfkammern mit schnell wachsenden Pflanzen (wie Hornkraut (*Ceratophyllum demersum*) oder Schwimmpflanzen) oder Systeme verwendet, bei denen die Wurzeln von Landpflanzen (z. B. Scindapsus oder Epipremnum) im Wasser hängen, die Blätter aber an der Luft sind.
Chaetomorpha – die beste Wahl für ein Algenrefugium: Arten und Eigenschaften

Obwohl Chaetomorpha (*Chaetomorpha linum*) eine klassische Meeresmakroalge ist und nicht in einem Standard-Süßwasseraquarium verwendet werden kann, dient ihr Wirkungsmechanismus und ihre Struktur als ideales Modell zum Verständnis des Prinzips eines effektiven Algenrefugiums. Gerade Chaetomorpha gilt als Goldstandard für den Nitratexport in der Meerwasseraquaristik.
Warum ist Chaetomorpha so effektiv (und warum suchen wir nach Süßwasser-Analoga):
- Struktur: Sie bildet einen dichten, verwickelten Ballen (ähnlich einem Schwamm), der sich nicht am Substrat festhält. Dies erleichtert das Sammeln und Entfernen.
- Wachstumsgeschwindigkeit: Bei ausreichender Beleuchtung und Anwesenheit von Nitraten zeigt Chaetomorpha exponentielles Wachstum und bindet Nährstoffe schnell.
- Keine Sporenbildung: Im Gegensatz zu vielen anderen Makroalgen (z. B. Caulerpa) hat Chaetomorpha keinen „sexuellen Abwurf“, der zu einem plötzlichen Algenkollaps und der Rückgabe von angesammelten Nitraten ins Wasser führen kann.
Im Süßwasseraquarium wird die Rolle von Chaetomorpha beim Nährstoffexport oft übernommen von:
Süßwasser-Analoga für Algenrefugien:
- Hornkraut (*Ceratophyllum demersum*): Eine extrem schnell wachsende, schwimmende Pflanze, die keine Wurzeln benötigt. Ideal für HOB-Refugien.
- Riccia (*Riccia fluitans*): Ein feinfiedriges Schwimmmoos, das bei intensiver Beleuchtung Nitrate schnell aufnimmt.
- Emerse Pflanzen: Pflanzen, deren Wurzeln im Wasser hängen (z. B. Dracaena, Scindapsus). Sie nutzen atmosphärisches CO2, was ihnen ermöglicht, noch schneller zu wachsen als vollständig untergetauchte Pflanzen und so den maximalen Export zu gewährleisten.
Erstellung und Installation eines Algenrefugiums: Schritt-für-Schritt-Anleitung

Die Schaffung eines effektiven Algenrefugiums erfordert sorgfältige Planung des Wasserflusses, der Beleuchtung und der Wahl des Behälters. Am gebräuchlichsten und effektivsten ist ein Algenrefugium, das in einen Sumpf integriert ist.
Schritt 1: Wahl des Algenrefugium-Typs
Installationsoptionen:
- Sumpf (Sump Refugium): Die bevorzugte Option. Ein separater Bereich im Sumpf wird zugewiesen, in den das Wasser nach der mechanischen Filterung fließt.
- HOB (Hang-On-Back Refugium): Eine kompakte Außenbox, die an der Rückwand des Aquariums aufgehängt wird. Geeignet für kleine Systeme.
- Innenbox: Ein kleiner Netzbehälter, der im Aquarium platziert wird, aber eine eigene Beleuchtung hat. Weniger effektiv aufgrund des begrenzten Volumens.
Schritt 2: Sicherstellung des Wasserflusses
Die wichtigste Anforderung ist ein moderater, aber konstanter Fluss. Das Wasser muss erneuert werden, um Nährstoffe zuzuführen, aber nicht so schnell, dass die Pflanzen oder Algen sie nicht aufnehmen können.
- Optimaler Fluss: Stellen Sie sicher, dass das Wasser aus dem Refugium mit einer Geschwindigkeit von etwa 10–20 % des Gesamtkreislaufsystems in das Hauptaquarium zurückfließt.
Schritt 3: Beleuchtung (der wichtigste Faktor)
Für eine maximale Nährstoffaufnahme ist eine intensive Beleuchtung erforderlich. Verwenden Sie Vollspektrum-LED-Lampen oder Pflanzenlampen, die direkt auf die Biomasse gerichtet sind.
Umgekehrter Lichtzyklus (RDC):
Es wird empfohlen, das Licht im Algenrefugium einzuschalten, wenn die Hauptbeleuchtung des Aquariums ausgeschaltet ist. Dies hat zwei wichtige Vorteile:
- pH-Stabilisierung: Nachts, wenn Fische und Bakterien CO2 abgeben, sinkt der pH-Wert. Die Photosynthese im Refugium verbraucht CO2 und hilft, den pH-Wert auf einem höheren Niveau zu halten.
- Effiziente Konkurrenz: Pflanzen im Refugium verbrauchen weiterhin Nitrate, während die Algen im Hauptaquarium „schlafen“.
Schritt 4: Einbringen der Biomasse
Füllen Sie den Hohlraum mit ausgewählten schnell wachsenden Pflanzen oder Algen (z. B. Hornkraut oder, wenn es sich um ein Meerwassersystem handelt, Chaetomorpha). Je größer die Startmasse, desto schneller beginnt das System zu arbeiten.
Pflege des Algenrefugiums: Gleichgewicht und Wachstumskontrolle

Ein Algenrefugium ist kein „einstellen und vergessen“-System. Um einen kontinuierlichen Nitratexport zu gewährleisten, ist regelmäßiges Eingreifen – die Ernte – erforderlich.
Regelmäßige Ernte (Harvesting)
Die Ernte ist die physische Entfernung eines Teils der Biomasse, was die Endstufe des Nitratexports darstellt.
- Häufigkeit: Hängt von der Wachstumsgeschwindigkeit ab. In einem gut eingestellten System kann die Ernte wöchentlich oder alle zwei Wochen erfolgen.
- Menge: Entfernen Sie etwa 30–50 % der Gesamtmasse und lassen Sie genug für ein schnelles Wachstum nach.
- Werkzeug: Für einen Ballen Chaetomorpha oder Hornkraut reicht es aus, einen Teil der Masse mit den Händen herauszunehmen.
Kontrolle von Parametern und Beleuchtung
Wenn die Algen oder Pflanzen im Refugium aufhören zu wachsen, ist dies ein Zeichen für ein Problem.
Faktoren, die das Wachstum beeinflussen:
| Problem | Ursache | Lösung |
|---|---|---|
| Langsame Wachstumsrate | Erschöpfung von Nährstoffen (N, P) oder Spurenelementen (Eisen, Fe) | Zugabe von Spurenelementen; Erhöhung der Fütterung oder des Besatzes. |
| Brauner Belag | Geringer Fluss oder alternde Lampen | Erhöhung des Durchflusses durch den Hohlraum; Austausch der Lampen. |
Es ist auch wichtig, den Boden des Refugiums regelmäßig von Detritus zu reinigen, der sich ansammeln und durch Zersetzung Nitrate zurück ins System abgeben kann.
Probleme und Lösungen: Häufige Fehler und wie man sie vermeidet

Obwohl ein Algenrefugium ein leistungsfähiges Werkzeug ist, machen Anfänger oft Fehler, die seine Effektivität verringern oder sogar zu unerwünschten Folgen führen.
Fehler 1: Unzureichende Beleuchtung
Wenn das Licht zu schwach ist, wachsen die Algen/Pflanzen nicht schnell genug, um mit den unerwünschten Algen im Hauptaquarium zu konkurrieren.
- Lösung: Installieren Sie eine spezielle Leuchte mit hoher Intensität (PAR), die für eine tiefe Durchdringung ausgelegt ist, auch wenn der Hohlraum nicht tief ist.
Fehler 2: Zu schneller Fluss
Wenn das Wasser zu schnell durch das Refugium fließt, werden die Nährstoffe nicht aufgenommen, und die Algen selbst können durch den Fluss mitgerissen werden.
- Lösung: Verwenden Sie einstellbare Ventile oder Pumpen, um die Flussgeschwindigkeit auf ein optimales Niveau (1–2 Refugiumvolumen pro Stunde) zu begrenzen.
Fehler 3: Fehlende regelmäßige Ernte
Algen oder Pflanzen, die ihre maximale Größe erreicht haben und nicht mehr wachsen, sind keine effektiven Nitratverbraucher mehr.
- Lösung: Führen Sie einen strengen Ernteplan ein. Entfernen Sie alte, blasse Biomasse, um das Wachstum junger und aktiver Biomasse zu stimulieren.
Algenrefugium und seine Bewohner: Nützliche Nachbarn für Ihr Aquarium

Ein Refugium ist nicht nur ein Filter; es ist ein Ökosystem. Seine Umgebung, geschützt vor den Raubtieren des Hauptaquariums, ist ideal für die Vermehrung kleiner Wirbelloser, die eine wichtige Rolle in der Nahrungskette spielen.
Schlüsselbewohner eines Refugiums:
- Copepoden und Amphipoden: In Meerwassersystemen sind dies Gammariden, in Süßwassersystemen verschiedene Arten kleiner Krebstiere. Sie vermehren sich im Dickicht der Algen und gelangen gelegentlich ins Hauptaquarium, wo sie als Lebendfutter für kleine Fische, Garnelen und Jungfische dienen.
- Turmdeckelschnecken (*Melanoides tuberculata*): Diese Schnecken helfen, das Substrat (falls vorhanden) zu belüften und verbrauchen Detritus, wodurch dessen Fäulnis verhindert wird.
- Kleine Würmer (Detritivoren): Helfen bei der Verwertung organischer Rückstände.
Wichtig: Vermeiden Sie es, Fische in das Refugium einzusetzen, die nützliche Mikrofauna oder die Algen selbst fressen und so ihre Hauptfunktion zunichte machen könnten.
Algenrefugium (Refugium): FAQ und interessante Fakten
Häufig gestellte Fragen
F: Kann ich ein Algenrefugium verwenden, wenn ich keinen Sumpf habe?
A: Ja, das ist möglich. In diesem Fall werden HOB-Refugien oder speziell entwickelte Außenfilterkanister verwendet, die für die Unterbringung von Pflanzenmasse und separater Beleuchtung modifiziert sind. Ein Sumpf bietet jedoch das größte Volumen und die größte Flexibilität.
F: Wie lange dauert es, bis ein Algenrefugium zu arbeiten beginnt?
A: Die Biomasse muss sich zuerst akklimatisieren und beginnen, aktiv zu wachsen. Dieser Prozess kann 2 bis 6 Wochen dauern. Die Effektivität des Nitratexports wird erst nach den ersten 4–8 Wochen aktiven Wachstums und Ernte spürbar.
F: Benötigen Pflanzen in einem Süßwasser-Algenrefugium CO2?
A: Nein, in der Regel ist keine CO2-Zufuhr erforderlich. Ziel des Refugiums ist es, die bereits im Wasser vorhandenen Nitrate und Phosphate so schnell wie möglich zu verbrauchen. Die dafür verwendeten Pflanzen (z. B. Hornkraut) sind anspruchslos und wachsen hervorragend ohne zusätzliche Kohlensäure, indem sie gelöstes CO2 nutzen.
Interessante Fakten über Algenrefugien
- Makroalgen als Indikator: Gesundes Wachstum von Chaetomorpha (oder ihren Süßwasser-Analoga) ist der beste Indikator dafür, dass Ihr System über ausreichend Nitrate und Phosphate für eine effektive Funktion verfügt.
- Reduzierung des Wasserwechselbedarfs: In Systemen mit einem hocheffizienten Algenrefugium kann die Häufigkeit und das Volumen von Wasserwechseln reduziert werden, da ein erheblicher Teil der angesammelten Nitrate exportiert wird.
- Stimulation der Laichbereitschaft: Die ständige Zufuhr von Lebendfutter (Mikrofauna) aus dem Refugium in das Hauptaquarium stimuliert oft das Laichverhalten vieler Fischarten, indem sie natürliche Bedingungen nachahmt.
