Der Start eines neuen Aquariums ist mehr als nur das Befüllen mit Wasser und das Hinzufügen von Fischen. Es ist ein komplexer, aber faszinierender Prozess der Schaffung eines stabilen biologischen Systems, das auf dem Stickstoffkreislauf basiert. Die Gesundheit zukünftiger Bewohner und die allgemeine Stabilität des Ökosystems hängen davon ab, wie richtig und geduldig diese Vorbereitungsphase durchgeführt wird. Führende Aquarianer empfehlen, einen strengen 30-Tage-Plan einzuhalten, um eine vollständige Reifung der Biofiltration zu gewährleisten.
Aquarium-Start von Grund auf: Ein vollständiger 30-Tage-Leitfaden

Der Prozess der Reifung eines Aquariums, oder sein „Start“, ist von entscheidender Bedeutung. Er ermöglicht es Kolonien nützlicher Bakterien (hauptsächlich aus den Gattungen Nitrosomonas und Nitrobacter), sich auf den Filtermaterialien und dem Substrat anzusiedeln. Diese Bakterien sind notwendig, um toxische Stoffwechselprodukte (Ammoniak) in weniger gefährliche Nitrate umzuwandeln. Die genaue Einhaltung des Zeitplans minimiert die Risiken, die mit dem „Syndrom des neuen Aquariums“ verbunden sind.
Wichtiger Hinweis: Alle Fristen in dieser Anleitung sind Richtwerte. Die tatsächliche Dauer der Phasen hängt vom Volumen des Aquariums, der Wassertemperatur und den verwendeten Starterkulturen ab.
Tag 1–7: Vorbereitung des Aquariums und der Ausrüstung – Grundlagen des Stickstoffkreislaufs

Die erste Woche widmet sich der mechanischen Installation, der Vorbereitung der Umgebung und der Schaffung von Bedingungen für zukünftiges Leben.
Tag 1–2: Installation und Hardscape
- Standortwahl: Das Aquarium wird auf einer ebenen, stabilen Oberfläche aufgestellt, fern von direkter Sonneneinstrahlung und Zugluft.
- Vorbereitung der Ausrüstung: Die Funktionsfähigkeit von Filter, Heizung und Beleuchtung wird überprüft.
- Vorbereitung des Bodengrunds: Der Bodengrund (Substrat) wird gründlich gespült, bis das ablaufende Wasser vollständig klar ist. Es wird empfohlen, neutralen Quarzsand oder spezielle Nährsubstrate für Pflanzen zu verwenden.
- Platzierung der Dekorationen (Hardscape): Wurzeln und Steine, falls verwendet, sollten im Voraus vorbereitet werden (abgekocht oder eingeweicht). Dekorationen werden vor dem Befüllen mit Wasser platziert.
Tag 3–5: Befüllen und Inbetriebnahme der Technik
- Befüllen: Das Aquarium wird langsam mit Wasser gefüllt. Um den Wasserfluss zu verlangsamen, wird empfohlen, eine Platte oder einen Beutel zu verwenden, um den Bodengrund nicht aufzuwirbeln.
- Wasseraufbereitung: Ein Wasseraufbereiter zur Entfernung von Chlor und Chloramin aus dem Leitungswasser muss unbedingt hinzugefügt werden.
- Inbetriebnahme der Ausrüstung: Die Heizung (auf 24–26°C eingestellt) und der Filter werden eingeschaltet. Der Filter muss rund um die Uhr laufen.
- Installation der Belüftung: Wenn der Filter keine ausreichende Belüftung bietet, wird ein Kompressor eingeschaltet.
Tag 6–7: Erste Beobachtung und Tests
- Dichtheitsprüfung: Überprüfung auf Undichtigkeiten.
- Wassertests: Erste Tests auf pH-Wert, Härte (GH, KH) und Temperatur werden durchgeführt. Diese Werte dienen als Referenzpunkt.
- Zugabe einer Ammoniakquelle: Um den Stickstoffkreislauf zu starten, muss eine Ammoniakquelle (NH₃) geschaffen werden. Dies kann ein kleines Stück Futter sein, das im Wasser verbleibt, oder spezielle Starter-Ammoniaklösungen.
Tag 8–14: Start des Stickstoffkreislaufs – Kontrolle der Wasserparameter

Die zweite Woche ist biologisch die wichtigste. Es kommt zu einem starken Anstieg der toxischen Verbindungen, was auf den Beginn des Nitrifikationsprozesses hinweist.
Tag 8–10: Ammoniak-Spitze
In dieser Zeit beginnen die Nitrosomonas-Bakterien, Ammoniak (NH₃) aktiv in Nitrite (NO₂) umzuwandeln. Der Ammoniakspiegel erreicht seinen Höchststand.
- Tägliche Tests: Der Gehalt an NH₃/NH₄ und NO₂ muss täglich gemessen werden.
- Maßnahmen: Es werden keine Wasserwechsel durchgeführt, es sei denn, die Ammoniakwerte überschreiten kritische Werte (was bei einem „Leerlauf“-Start selten vorkommt). Es ist wichtig, eine stabile Temperatur und Belüftung aufrechtzuerhalten.
- Zugabe von Bakterien: Wenn am Tag 7 keine Starterkultur verwendet wurde, können kommerzielle Starter-Bakterienkulturen (z. B. Sera Nitrivec, Seachem Stability) hinzugefügt werden, um den Prozess zu beschleunigen.
Tag 11–14: Auftreten von Nitriten
Der Ammoniakspiegel beginnt zu sinken, während der Nitritspiegel (NO₂) stark ansteigt. Nitrite sind für Fische genauso giftig wie Ammoniak, daher ist es wichtig, ihre Anwesenheit zu sehen – dies ist ein Zeichen dafür, dass die erste Phase des Kreislaufs erfolgreich abgeschlossen wurde.
- Beobachtung: Beobachten Sie, wie NH₃ auf Null sinkt.
- Besiedlung durch Nitrobacter: Die aktive Vermehrung der zweiten Bakteriengruppe (Nitrobacter), die Nitrite in Nitrate (NO₃) umwandelt, beginnt.
- Beleuchtung: Wenn lebende Pflanzen geplant sind (was dringend empfohlen wird), wird ein Lichtzyklus eingeschaltet. Beginnen Sie am besten mit 6–8 Stunden pro Tag, um das Wachstum unerwünschter Algen zu minimieren.
Tag 15–21: Pflanzen im Aquarium – Schaffung eines biologischen Gleichgewichts

Die dritte Woche ist durch einen Höhepunkt der Nitrite und deren anschließenden Rückgang gekennzeichnet. Dies ist die ideale Zeit, um lebende Pflanzen einzubringen, die als zusätzliche biologische Filter und als Verbraucher von Nitraten dienen.
Tag 15–17: Nitrit-Spitze
- Kritischer Moment: Der NO₂-Spiegel ist auf seinem Höhepunkt. Zu diesem Zeitpunkt ist das Aquarium am anfälligsten, wenn sich Fische darin befinden würden.
- Tests: Der NO₂-Spiegel sollte hoch sein, während NH₃/NH₄ sich Null nähert.
- Vorbereitung auf Pflanzen: Wenn die Pflanzen noch nicht gepflanzt wurden, sollten sie vorbereitet werden: von Transportgel oder Watte befreit, bei Bedarf in Quarantäne gehalten.
Tag 18–21: Pflanzen einsetzen und Stabilisierung
Pflanzen nehmen Nitrate und in geringerem Maße Ammoniak auf und helfen so, das System zu stabilisieren. Es wird empfohlen, mit pflegeleichten Arten zu beginnen.
- Empfohlene Pflanzen: Anubias barteri (Anubias), Microsorum pteropus (Javafarn), Vallisneria spiralis (Walschwanz) und Schwimmpflanzen wie Pistia stratiotes (Wasser-Salat), die überschüssige Nährstoffe schnell aufnehmen.
- Beobachtung von NO₂: Der Nitritspiegel sollte stetig sinken. Gleichzeitig sollte der Nitratspiegel (NO₃) ansteigen.
- Erste Düngung: Wenn ein Nährboden verwendet wird, ist keine zusätzliche Düngung erforderlich. Wenn der Bodengrund neutral ist, können minimale Mengen flüssiger Pflanzendünger zugegeben werden.
Tag 22–28: Besiedlung des Aquariums – Auswahl und Anpassung von Fischen

Die vierte Woche ist der Höhepunkt des Starts. Wenn Tests den Abschluss des Stickstoffkreislaufs bestätigen, kann mit der Besiedlung begonnen werden.
Tag 22–24: Abschluss des Kreislaufs und Endkontrolle
Der biologische Kreislauf gilt als abgeschlossen, wenn über einen Zeitraum von 48 Stunden folgende Werte beobachtet werden:
- Ammoniak (NH₃/NH₄): 0 ppm
- Nitrite (NO₂): 0 ppm
- Nitrate (NO₃): Vorhanden (normalerweise 5–20 ppm)
Wenn mindestens einer der Werte NH₃ oder NO₂ nicht Null ist, muss das Warten und Testen fortgesetzt werden.
Tag 25: Großer Wasserwechsel
Vor der Besiedlung müssen die im Laufe des Monats angesammelten Nitrate entfernt werden.
- Austausch: Ein großer Wasserwechsel wird durchgeführt – 30–50% des Volumens. Das Wasser sollte abgestanden sein und die gleiche Temperatur wie das Aquarienwasser haben.
- Absaugen: Die Oberfläche des Bodengrunds wird vorsichtig von Futterresten oder organischem Material, das zum Starten des Kreislaufs verwendet wurde, gereinigt.
Tag 26–28: Besiedlung (erste Welle)
Die Besiedlung sollte schrittweise erfolgen. Es ist nicht ratsam, sofort alle geplanten Bewohner einzusetzen, da dies zu einem starken Ammoniaksprung führen kann, der die junge Bakterienkolonie überlasten könnte.
- Auswahl der ersten Gruppe: Die widerstandsfähigsten Arten werden als „Pioniere“ ausgewählt. Dies können einige Exemplare von Poecilia reticulata (Guppy), Corydoras paleatus (Gefleckter Panzerwels) oder Caridina multidentata (Amano-Garnele) sein.
- Anpassung: Die Fische sollten einer Tropf- oder schrittweisen Anpassung an das Aquarienwasser unterzogen werden, um Stress zu minimieren.
- Fütterung: In den ersten Tagen nach der Besiedlung sollten die Fische sehr mäßig gefüttert werden – 1–2 Mal täglich, in kleinen Portionen, die innerhalb von 1–2 Minuten gefressen werden.
Tag 29–30: Aquarium-Pflege – Aufrechterhaltung des biologischen Gleichgewichts

Am dreißigsten Tag gilt das Aquarium offiziell als gestartet. Nun beginnt die Phase der regelmäßigen Pflege und langfristigen Aufrechterhaltung der Stabilität.
Tag 29: Überwachung und Tests
- Wassertests: Ein Kontrolltest auf NH₃, NO₂, NO₃ wird durchgeführt. Alles sollte im Normbereich sein (NH₃/NO₂ null).
- Beobachtung: Beobachten Sie sorgfältig das Verhalten der ersten Fische. Jede Anzeichen von Stress (schnelle Atmung, angelegte Flossen) erfordern sofortige Wassertests.
Tag 30: Planung weiterer Besiedlung und Pflege
- Wasserwechsel-Regime: Ein regelmäßiger wöchentlicher Wasserwechselplan (15–25% des Volumens) wird festgelegt.
- Besiedlung der zweiten Welle: Die zweite Fischgruppe kann frühestens 7–10 Tage nach der ersten hinzugefügt werden, vorausgesetzt, alle Wasserparameter bleiben stabil.
- Aufrechterhaltung der Filterung: Es ist wichtig zu bedenken, dass Filtermaterialien (Schwämme, Keramik) nicht unter fließendem Wasser gereinigt werden dürfen, da Chlor die nützlichen Bakterien abtötet. Die Reinigung erfolgt im abgelassenen Aquarienwasser.
FAQ: Antworten auf die häufigsten Fragen zum Aquarium-Start

Wie lange dauert der Start wirklich?
Ein Standardstart ohne die Verwendung von Starterkulturen dauert 3 bis 6 Wochen. Der 30-Tage-Plan ist ein optimales und sicheres Minimum. Die Verwendung von „lebenden“ Bakterien oder einer kleinen Menge Substrat aus einem reifen Aquarium (sogenannte „Ausleihe“) kann diese Zeit auf 14–20 Tage verkürzen.
Was tun, wenn der Stickstoffkreislauf nicht startet?
- Überprüfen Sie die Temperatur: Bakterien arbeiten am besten bei 24–28°C.
- Überprüfen Sie den pH-Wert: Ein zu niedriger pH-Wert (unter 6,0) kann die Nitrifikation verlangsamen oder stoppen.
- Fügen Sie eine Ammoniakquelle hinzu: Stellen Sie sicher, dass genügend „Nahrung“ für die Bakterien im Wasser vorhanden ist.
- Verbessern Sie die Belüftung: Die am Kreislauf beteiligten Bakterien sind aerob und benötigen viel Sauerstoff.
Muss ich während des Kreislaufs Wasser wechseln?
Im Zeitraum vom 1. bis zum 25. Tag werden in der Regel keine Wasserwechsel durchgeführt, um Ammoniak und Nitrite – die Nahrung für die Bakterien – nicht zu entfernen. Ausnahmen sind Situationen, in denen der NO₂-Spiegel 5 ppm überschreitet, was einen minimalen Austausch erfordern kann, um übermäßiges Algenwachstum zu verhindern.
Kann ich destilliertes Wasser für den Start verwenden?
Reines destilliertes oder Umkehrosmosewasser (RO) ist ohne Zugabe von Salzen (Remineralisierung) nicht für den Start geeignet. Bakterien und Pflanzen benötigen Mineralien für ihre Lebensaktivität.
Interessante Fakten über Aquaristik und den Stickstoffkreislauf

Das Verständnis der Aquarienbiologie macht die Pflege bewusster und effektiver. Der Stickstoffkreislauf ist ein grundlegender Prozess, der der Süßwasseraquaristik zugrunde liegt.
- Geschwindigkeit der Nitrifikation: Nitrosomonas-Bakterien (die NH₃ in NO₂ umwandeln) vermehren sich deutlich schneller als Nitrobacter (die NO₂ in NO₃ umwandeln). Deshalb tritt die Nitrit-Spitze (NO₂) immer nach der Ammoniak-Spitze auf und dauert länger.
- Rolle der Pflanzen: Lebende Aquarienpflanzen wie Echinodorus (Schwertpflanzen) oder Cryptocoryne (Wasserkelche) bevorzugen die direkte Aufnahme von Ammoniak (NH₃) und umgehen so die Nitrite. Dies hilft, die allgemeine toxische Belastung im Aquarium zu reduzieren.
- Temperaturabhängigkeit: Bei Temperaturen unter 18°C verlangsamt sich die Nitrifikationsgeschwindigkeit um ein Vielfaches. Dies erklärt, warum für tropische Aquarien, die einen schnellen Start erfordern, eine Temperatur von 24–26°C empfohlen wird.
- Phosphate und Nitrate: Das Endprodukt des Stickstoffkreislaufs – Nitrate (NO₃) – sind nicht so giftig wie Ammoniak, aber ein Überschuss (über 40 ppm) fördert das aktive Algenwachstum. Regelmäßige Wasserwechsel sind die einzige wirksame Methode, sie zu entfernen.
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